Wer sich vom Strand losreißen kann, findet im Landesinneren von Mallorca Paradiesisches für Leib und Seele
VON HEIDI DIEHL
Von wegen, einen alten Baum
verpflanzt man nicht! Joan Miralles tat es – einen
uralten sogar. Mehr als 500
Jahre hat der knochige Olivenbaum unter der Rinde, so genauweiß das keiner. Der
Methusalem war ein Geschenk eines Freundes zur Firmengründung vor zwölf Jahren.
Eines mit Hintersinn gewissermaßen: Denn, wenn man Joan auch nicht gerade als
alten Knochen bezeichnen kann, so hatte er, als er 2000 den lange
brachliegenden Grund und Boden einer uralten Finca rund 30 Kilometer östlich
von Palma de Mallorca kaufte, doch schon rund fünf Jahrzehnte auf dem Buckel.
In einem Alter, in dem andere bereits Pläne für den in gar nicht so ferner
Zukunft liegenden Ruhestand schmieden, begann er noch einmal
ganz von vorn.
Damals war Joan
leidenschaftlicher Hotelier, sein Geschäft brummte. Zumindest im Sommer. Im
Winter sah es da schon – wie fast überall auf der Deutschen liebsten Insel –
anders aus. Da kam dem Gourmet die Idee, sich eine Olivenplantage anzuschaffen.
Die würde ihm und seinen Mitarbeitern eine Ganzjahresbeschäftigung ermöglichen.
Den Geschmack, den sein Öl einmal haben sollte, trug der künftige Bauer als
ideelles Muster bereits auf der Zunge. Einziger Wermutstropfen: Joan wusste so
gut wie nichts über Landwirtschaft und schon gar nichts über Olivenölproduktion.
»Vier Jahre lang haben wir das Land urbar gemacht, ehe wir die ersten Bäume
pflanzen konnten. Es war eine Schinderei. So schlimm hatte ich es mir nicht
vorgestellt«, erinnert er sich. Rund 3000 Setzlinge pflanzten er und seine
Mitarbeiter, die früher Rezeptionist und Kellner in seinem Hotel waren, in die
steinige Erde. Inzwischen sind die Winzlinge zu kräftigen fast zwei Meter hohen
Bäumen herangewachsen, vor drei Jahren konnte aus ihren Früchten erstmals Öl
gepresst werden.
Längst ist die Landwirtschaft für
Joan Miralles, der das Unternehmen seit einiger Zeit mit seiner Tochter Marga führt,
kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Ansonsten hätte es sein extra vergin Olivenöl,
das erstmals 2010 auf den Markt kam, sicher nicht auf Anhieb in die höchste
Qualitätsklasse geschafft. Unter dem Namen »Treurer« kann man es mit einem bisschen
Glück auch in Deutschland, Skandinavien und den Vereinigten Arabischen Emiraten
bekommen. Der Name übrigens kommt von der uralten Finca, die Miralles in seinen
Ölbaumgarten verwandelte, und bedeutet so viel wie »Schatzmeister«. Was ja irgendwie
auch auf Joan zutrifft.
Das Hotel hat er inzwischen verkauft,
um sich ausschließlich der Ölproduktion zuzuwenden, ein guter und
leidenschaftlicher Gastgeber ist er aber nach wie vor. Jeder Interessierte ist
herzlich willkommen. Er oder Marga führen die Besucher durch den Olivenhain, antworten
geduldig auf all ihre Fragen und bitten sie zuletzt unter eine schattige
Pergola, wo ihnen Ölbauer José formvollendet – schließlich war er mal
Oberkellner in Miralles' Hotel – kleine Köstlichkeiten aus der mallorquinischen
Küche anbietet und wo sie natürlich zu einer Ölverkostung eingeladen werden.
Könnte der Ölbaum-Methusalem, der
seinen repräsentativen Platz gleich neben der Pergola fand, reden, er würde
seinem stolzen neuen Besitzer sagen, was er tun sollte, damit seine Öle noch in
Jahrhunderten in aller Munde sind. Von Pedro Ribas de Cabrera würde er ihm erzählen,
der 1711 im Dorf Consell – nur wenige Kilometer von Joan Miralles
Olivenplantage entfernt – mit dem Bau einer Bodega begann. Auch dessen Land war
steinig, und auch Pedr musste sich schinden, ehe er den ersten Schluck Wein aus
eigenem Anbau probieren konnte. Wie der schmeckte, ist nicht überliefert, doch
das, was seine Nachfahren alljährlich auf die Flaschen ziehen, zählt zu den
besten Weinen, die die Insel zu bieten hat. Seit 300 Jahren nun hat sich in der
Familie Ribas die Passion für die edlen Rebensäfte von Generation zu Generation
weitervererbt. Und jede hat ein bisschen was verbessert, ohne jedoch das Wissen
der Altvorderen aus den Augen zu verlieren.
Heute ist die Bodega Ribas die älteste
auf Mallorca und die drittälteste in ganz Spanien. Die Geschwister Araceli und
Javier Ribas führen das Unternehmen in 13. Generation mit der gleichen Leidenschaft,
wie einst ihr Ahne Pedro vor 300 Jahren. Beide haben Önologie studiert, und beide
sammelten Erfahrungen auf Weingütern in verschiedenen Ländern.
40 Hektar groß ist ihr Weinberg, auf dem sowohl weiße als auch rote Trauben
reifen. Tradition leben, heißt für die beiden Mittdreißiger auch, alte und zum
Teil fast vergessene einheimische Rebsorten zu kultivieren. Wie zum Beispiel die rote Traube Manto negro, die den
Hauptbestandteil des Jubiläumsweines zum 300. Gründungsjahr bildete. Nur 1230
Flaschen wurden vom »Sió 300« produziert, wer eine davon abbekam, durfte sich
glücklich schätzen. Nur die besten Trauben von über 60-jährigen Rebstöcken
waren gut genug für die Jubiläumsedition.
Solche alten Stöcke kann selbst der
Laie gut ausmachen. Ähnlich wie bei alten Olivenbäumen beeindrucken sie mit
knochig verholzten Stämmen. Noch faszinierender allerdings ist etwas
Unsichtbares – ihre Wurzeln. Die graben sich bis zu zehn Meter in den steinigen Boden.
Da muss man sich nicht wundern, dass die Rebstöcke selbst bei wochenlanger sengender
Hitze ohne jede Bewässerung auskommen. Ganz anders, als die Besucher, die die
jungen Weinbauern gern durch ihr riesiges Anwesen führen. Sie kippen auf dem
schattenlosen Rundgang flaschenweise Wasser in sich hinein und atmen sichtbar
auf, wenn es endlich in den Weinkeller geht. Mancher ist dort zunächst ein
wenig enttäuscht, den vor allem sind es modernste Stahltanks, die sie da zu
sehen bekommen. Daneben aber gibt es nach wie vor auch noch Tontanks von anno dazumal, in denen besondere
Schätze ausgebaut warden.
Nach so viel Theorie trifft man sich
im ben so gut temperierten wie sanierten
Stammhaus der Bodega am großen runden Tisch, um die Weine zu erkosten und sich traditionelle
mallorquinische Gerichte munden zu lassen. So wie es schon Firmengründer Pedro
Ribas de Cabrera tat, wenn er mit Freunden auf die Mühen und Freuden der harten
Arbeit angestoßen hat.
Isalud Pedro, zum Wohl Joan – auf
alle, die die Traditionen pflegen, die ihr Land prägen und ohne die der Urlaub
für uns nicht halb so schön wäre!
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